KABELPFLUG WECKT HOFFNUNGEN AUCH FÜR ANDERE STROMTRASSEN

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Wartjenstedt – Auf die Frage, wie er den Kabelpflug findet, schaut Guido Franke ganz erstaunt: „Ich bin natürlich super froh“, sagt der Mann von der Bürgerinitiative Südkreis dann. „Das ist ein großer Schritt nach vorn.“

Ein paar Meter weiter steht Volker Schäfer von der örtlichen Bürgerinitiative Wartjenstedt. Ein eher ruhiger Vertreter, der an diesem Tag in der Feldmark oberhalb seines Wohnortes nach Worten sucht, um das Ereignis angemessen zu würdigen. „Es ist ein großer Tag, ein wichtiger Tag, nicht nur für uns“, sagt er dann.“

BÜRGERINITIATIVEN ZUFRIEDEN

Bürgerinitiativen, die mit einer Aktion des Stromnetz-Betreibers Tennet, zufrieden, ja fast schon glücklich sind? Das hätte man sich im Landkreis Hildesheim und seiner Nachbarschaft noch vor wenigen Jahren kaum vorstellen können. Doch am frühen Dienstagnachmittag sind in der Wartjenstedter Feldmark vor allem zufriedene Gesichter zu sehen: Die fränkische Firma Föckersperger testet ihren neu entwickelten Kabelpflug erstmals in dem Gebiet, in dem die Leitungen tatsächlich verlegt werden sollen: Auf der 13 Kilometer langen künftigen Erdkabel-Abschnitt der Höchstspannungsleitung Wahle-Mecklar zwischen dem Söhlder Kreidewerk und Sillium.

Drei kräftige Zugmaschinen zerren den Mehrfachpflug über den trockenen Acker. Und Meter für Meter verschwinden drei Leerrohre parallel im Boden – jene Röhren, in denen einmal die Kabel der Stromtrasse Wahle-Mecklar Platz finden sollen.

WAS VERSPRICHT TENNET?

Wenn einer noch glücklicher guckt als die BI-Vertreter, dann ist es Frank Föckersperger. Er führt in sechster Generation das Familien-Unternehmen. „Binnen sieben Monaten“, wie er stolz betont, hat er mit seinen Mitarbeitern das rote Ungetüm entwickelt und konstruiert. Jetzt kommentiert er für die rund 200 Besucher, wie das Gerät sich durch den Acker pflügt. Macht er zum Start noch einen angespannten Eindruck, wirkt er eine halbe Stunde später völlig gelöst, als die vorgesehenen 200 Meter absolviert sind: „Wir haben unter Echt-Bedingungen bewiesen, dass unser Modell erfolgreich sein kann“, stellt er fest. „Das ist eine tolle Sache für einen kleinen Mittelständler wie uns.“ 50 Mitarbeiter hat der Franke derzeit.

Freilich ist es nur der erste Test. Führende Tennet-Vertreter schwanken zwischen Optimismus und Zurückhaltung. Ja, es ist gut gelaufen, aber bloß nicht zu viele Erwartungen wecken, das scheint das Motto beim Netzbetereiber zu sein. „Es ist unser erklärtes Ziel, zumindest auf großen Teilen der Erdkabel-Trasse mit dieser Technik zu arbeiten“, sagt Teilprojektleiter Ralf Schneider. Denn der Kabelpflug nehme deutlich weniger Ackerfläche in Anspruch als herkömmliche Verlege-Bauweisen, bei denen Bagger Stück für den Boden auskoffern und eine bis zu 60 Meter breite Schneise durch die Landschaft ziehen. „Wir erwarten eine kürzere Bauzeit und geringere Baukosten, und vor allem ist dieses Verfahren bodenschonender“, so Schneider.

LIES GEHT IN DIE OFFENSIVE

Tennet-Vorstandsmitglied Tim Meyerjürgens nannte diese Vorteile ebenfalls, wollte sich aber nicht vollends festlegen. „Der Start war gut, aber nun folgen noch viele weitere Tests“, sagte er. Bis Oktober sollen die Probeläufe in der Wartjenstedter Feldmark andauern.

Doch der öffentliche Druck auf Tennet, wenn irgend möglich das Pflugverfahren einzusetzen, steigt – das war auch gestern deutlich zu spüren. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies machte deutlich, dass er sich diese Verlegetechnik auch für die Gleichstromtrasse Südlink wünscht.

Deren Gestaltung ist für das Land wie auch für den Landkreis Hildesheim womöglich von noch größerer Bedeutung. Schließlich durchquert sie das Bundesland von Norden nach Süden und soll sich nach aktuellem Stand im Leinetal auf knapp 20 Kilometern Länge durch das Kreisgebiet ziehen. Und zwar komplett als Erdkabel, weil das bei Gleichstrom schon weit besser erprobt ist als bei Wechselstrom-Trassen wie Wahle-Mecklar.

„AUCH FÜR SÜDLINK NUTZEN“

„Diese Technik ist ökologisch verträglich, ökologisch sinnvoll und dazu angetan, die Akzeptanz in der Bevölkerung für den nötigen Netzausbau zu erhöhen“, sagte der Umweltminister. Er hoffe „auf jeden Fall“, dass der Kabelpflug auch bei Südlink zum Einsatz komme – zumindest auf einigen Abschnitten.

Ins gleiche Horn stieß Guido Franke von der Bürgerinitiative Südkreis, der sich seit Beginn der Planungen für Wahle-Mecklar im Jahr 2007 mit den großen Stromtrassen beschäftigt: „Endlich“ werde der Kabelpflug ernsthaft in Erwägung gezogen, sagte er gestern und betonte: „Wir fordern dieses Verfahren auch für Südlink.“ Im Herbst sind Erörterungstermine für diese Leitung geplant, dann will seine Bürgerinitiative dieses Ansinnen ebenfalls vertreten.

WARTJENSTEDTER FREUDE

„Ich hoffe, dass auch andere von dem profitieren“, was hier heute beginnt, meinte unterdessen Volker Schäfer von der BI Innerstetal. Er sei auch deshalb zufrieden, weil es in Wartjenstedt keinen Streit gegeben habe wie anderswo, wo Landwirte zum Schutz ihrer Äcker für Freileitungen werben, andere Anlieger aber wegen des Landschaftsbildes für Erdkabel.

„Wir haben lange und intensiv diskutiert und irgendwann gemeinsam gesagt: Wir sind nicht einfach nur dagegen, aber wirt wollen das Erdkabel – und das hat geklappt. Dann wollten wir den Kabelpflug, und das klappt hoffentlich auch. Dann hat sich unsere Arbeit noch mehr gelohnt.“

//Volker Schäfer//

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